Interview über Rauswürfe beim Freitag , taz 5.1.12

„Nur noch ein Störfaktor“

Daniela Dahn musste als eine von vier HerausgeberInnen der Wochenzeitung „Freitag“ gehen. Ein Gespräch über Jakob Augstein, Beliebigkeit und dem Kampf gegen den Mainstream.

Interview: Stefan Reinecke

taz: Frau Dahn, der Verleger des Freitag, Jakob Augstein, hat die vier Herausgeber, neben Ihnen Friedrich Schorlemmer, György Dalos und Frithjof Schmidt, faktisch vor die Tür gesetzt. Mit welcher Begründung?

Daniela Dahn: Im November fand ein Verleger-Herausgeber-Treffen statt, bei dem wir darüber sprachen, welche Rolle den Herausgebern inzwischen zugebilligt wird. Dabei ging es teilweise recht kontrovers zu, Friedrich Schorlemmer fragte, ob wir überhaupt noch gebraucht würden, und ich fand, dass eine weitere Zusammenarbeit nur Sinn macht, wenn wir wieder stärker als Scharnier zwischen Verleger und Redaktion wirksam sein können, wenn wir mehr in die Kommunikation inhaltlicher und redaktioneller Fragen einbezogen werden.

Zehn Tage später bekamen alle Herausgeber von Jakob Augstein einen Brief, in dem er uns für unsere hilfreiche Begleitung in der Zeit des Überganges dankt. Diese Phase sei nun abgeschlossen, der Freitag habe den Charakter eines „Projekts“ gegen den einer „normalen Zeitung“ eingetauscht, woraus folge, „dass das Institut der Herausgeber sich für den Freitag überlebt hat“.

Hat Augsteins Schritt politische Hintergründe?

Da bin ich nicht auf Vermutungen angewiesen. Es gibt seit zwei Jahren eine relativ umfangreiche Mail-Korrespondenz zwischen Jakob Augstein und mir, in der ich immer wieder angemahnt habe, bei der zweifellos notwendigen Verjüngung und Modernisierung das tradierte Freitag-Profil nicht einer sich einschleichenden Beliebigkeit zu opfern.

Was bedeutet Beliebigkeit?

Ich wollte den Anspruch, Gegeninformationen zu liefern, nicht aufgeben und die analytische und intellektuelle Substanz bewahren. Auch wollte ich den neuen Alltagsteil nicht auf Zerstreuung, Lifestyle, Prominente der Kulturindustrie oder gar Boulevard-Stories beschränkt sehen. Die sollten zum Beispiel durch mehr Geschichten aus der akademischen und produzierenden Arbeitswelt ergänzt werden, Geschichten vom Überleben, die erzählen, wie die Wirtschaft in den Alltag ganz normaler Leute funkt. Ich hielt es für verfrüht, dass der Freitag den Brückenbau zwischen West und Ost(-Europa) aufgegeben hat. Kurzum, im Laufe der Zeit haben sich unsere Vorstellungen von der Identität der Zeitung zu meinem Bedauern entfernt.

Augstein finanziert den Freitag – ist es da nicht verständlich, dass er das Sagen haben will?

Ja klar, das ist nur konsequent. Er ist ja auch wirklich mit großem Elan und persönlichem finanziellen Risiko eingestiegen, das habe ich immer bewundert.

Dass die Herausgeber nicht mehr nötig sind, weil der Freitag nun eine normale Zeitung ist – überzeugt Sie das?

Herr Augstein ist Verleger, Geschäftsführer, Autor und agiert nicht selten wie ein Chefredakteur – in diesem Sinne ist der Freitag in der Tat eine normale, hierarchisch geführte Zeitung geworden. Da sind Herausgeber, die meinen, ihren Senf auch noch dazugeben zu müssen, ein Störfaktor. Die Frage ist nur, ob es auf die Dauer hilfreich ist, sich des kritischen Korrektivs zu entledigen.

Also sehen Sie die Schuld nur auf Augsteins Seite – und gar nicht aufseiten der früheren Herausgeber?

Meinungsverschiedenheiten sind ja keine Schuldfrage, im Gegenteil, gut, wenn man dazu steht. Wären die Herausgeber aktiver gewesen, wäre es vielleicht schon eher zum Bruch gekommen, hätten sie stillgehalten, vielleicht nie.

Die Auflage des Freitag ist noch immer weit davon entfernt, die Zeitung zu finanzieren …

In seinem Abschiedsbrief an uns hat der Verleger noch einmal betont, dass der nun linksliberale Freitag den Platz besetzen soll, „den Zeit und Spiegel vor langer Zeit freigemacht haben“, dass er „zum Konzert der Meinungsstimmen im Lande gehören möchte“. Der einstige Spiegel-Chefredakteur Günter Gaus war als Herausgeber zum Freitag gegangen, weil er sich nicht mehr an die von ihm mit Missfallen beobachtete Regel halten wollte, wonach es im Journalismus üblich ist, bei der Mehrheit der Gruppe zu bleiben.

Auch ich neige dazu, Zeitungen, Autoren, und Bücher interessant zu finden, die den Mut haben, sich von der Truppe zu entfernen. Ob sich so etwas aber bei den Abhängigkeitsverhältnissen und PR-Strukturen hierzulande verkaufen lässt, ist eine andere, durchaus ernste Frage.